Spitzenleistung auf dem Sofa

Magie ist ein Wunder! Kann man Wunder eigentlich trainieren?
Sie ahnen es vermutlich: Das Training eines Magiers hat es in sich. 

Zum Beispiel beim Gedankenlesen: Wie kann ich diese Fähigkeit im Alltag üben, in einer Umgebung voller Ablenkungen? In der Fußgängerzone kann ich zwar hier und da einiges aufschnappen: Teile einer Pin-Nummer, die Vorfreude auf ein Date, Einkaufslisten, die zu Hause vergessen wurden… Aber immer funken die Gedanken wieder anderer Passanten dazwischen. Kreuz und quer geht es, und am Ende bleibt nur unverständliches Gebrabbel. 

Szenenwechsel: Denken Sie jetzt an die Proben für die Zersägte Frau. Ein kleines Mädchen fragte mich einmal, ob die zersägte Frau nicht jedes Mal ein Stückchen kürzer würde. Ja, natürlich! Mit jedem Übungsdurchlauf verliert die Partnerin ein, zwei Millimeter. Das Dilemma liegt auf der Hand: Sie ist ein Star, will groß rauskommen und wird doch immer kleiner. Was tut man nicht alles für die Kunst!

Der Magier selbst trägt während des Sägens keine Blessuren davon. Aber es verändert sich etwas bei ihm im Kopf. 

Unser Tun und Denken hinterlässt Spuren im Gehirn. Ständig! 

Unser Alltag: Vielleicht haben Sie schon einmal von dem Smartphone-Daumen gehört. Schon nach wenigen Wochen verändert das Umherwischen auf dem Handy unser plastisches Gehirn. Das Hirnareal für den Daumen wird größer und sensibler.

Zu einem Ergebnis mit ähnlicher Aussage kam die berühmte Studie über die Taxifahrer*innen in London. Die Londoner Taxiprüfung gilt als die härteste der Welt! Während ihrer Ausbildung zum „Cabbie“ lernen die Kandidaten drei bis vier Jahre lang die fast unvorstellbare Menge von rund 25.000 Straßennamen. In der Studie konnte ein Team um die Neurowissenschaftlerin Eleanor Maguire nachweisen, dass bei den angehenden „Cabbies“ die zuständige Hirnregion für die Navigation tatsächlich größer wurde. Tadaa: Ständige Wiederholungen stärken die neurologischen Verbindungen der jeweiligen Hirnareale. So weit, so nachvollziehbar. 

Aber damit nicht genug: Unser Hirn nutzt sogar die Fantasie! Der Hirnforscher Alvaro Pascual-Leone bat eine Gruppe von Teilnehmern, ein einfaches Klavierstück zu erlernen und fünf Tage lang zu üben, jeweils zwei Stunden pro Tag. Dasselbe Phänomen! Wieder veränderten sich die Hirnregionen der Probanden. Und der Wissenschaftler ging noch einen Schritt weiter. Eine zweite Gruppe lernte das Musikstück ausschließlich mental. Sie schauten den Klavierspielern zu und prägten sich die Tastenkombination ein. Täglich stellten sich die Mitglieder dieser zweiten Gruppe also vor, sie würden jenes Stück spielen. In Wirklichkeit rührten sie aber keinen Finger. Das Resultat ist frappierend: Bei beiden Gruppen war es zu fast identischen Veränderungen im Gehirn gekommen. Das Gehirn hatte sich also auch bei denjenigen umgeformt, die ausschließlich mental geübt hatten. Allein die Kraft der Vorstellung veränderte die Struktur des Gehirns. Das Gehirn unterscheidet offenbar nicht wesentlich, ob du eine Tätigkeit tatsächlich ausübst oder „nur“ denkst.

Mich hat diese Studie immens beeindruckt. Seither nutze ich Warteschleifen, Staus und sonstige Leerlaufzeiten für mentales Training. Ich stelle mir intensiv Mitspieler vor, deren Gedanken ich lese. Im Kopf zersäge ich Dutzende Frauen. (Angeblich säge ich sogar im Schlaf, aber das ist ein anderes Thema).

Wenn ich mir hochkonzentriert immer wieder die Abläufe der Show vergegenwärtige, habe ich schließlich meinen ganz eigenen Autopiloten. So kann ich mich ganz im Hier und Jetzt auf die Zuschauer konzentrieren. 

Die gute Botschaft lautet also: Sie müssen sich nie wieder ärgern über Wartezeiten, denn auch Sie können in dieser Zeit nach Herzenslust trainieren. Ob Sie nun gedanklich Klavier spielen, an Ihrer Liebeserklärung feilen, Bewerbungsgespräche durchgehen oder eine neue Sprache lernen – was auch immer!

Wer kann jetzt noch sagen, Sie lägen nur faul auf dem Sofa?! Womöglich trainieren Sie ja im Geiste für den nächsten Marathon!