Du warst auf einmal weg

Von Harry Keaton

Er: Hallo, na wie isses?

Sie: Hallo, lieb, dass du anrufst. Hier ist alles soweit im Lot und …. STILLE

Er: Hallo, hallo, ich kann dich nicht hören … Hallo, bist Du noch da? HALLO? … ah, jetzt höre ich dich wieder. Du warst auf einmal weg.

Sie: Nein, du warst weg

Er: Nein, du. Ich war die ganze Zeit da.

Sie: Du warst zuerst weg.

Er: Nein, war ich nicht.

Sie: Siehst du, das ist der Unterschied. Es könnte ja sein, dass wir beide weg waren. Erst du, dann ich. Aber auf so eine Idee kommst du nicht. Weil du immer Recht haben musst.

Er: Es geht nicht ums Rechthaben, aber überleg doch mal: Wer hat angerufen?

Sie: Du mich

Er: Siehst Du: Es macht überhaupt keinen Sinn jemanden anzurufen und dann weg zu sein. Das ist völlig unlogisch. Deshalb warst Du diejenige, die weg war.

Sie: Du hättest ebenso weg sein können. Schlechte Verbindung, Tunnel … was weiß ich?

Er: Mein Handy ist aber neuer als deins. Deshalb ist klar, dass Du es bist, die weg war.

Sie: Sagt ausgerechnet der, der ständig weg ist.

Er: Das ist halt mein Beruf. Wegsein und Wegsein ist nicht dasselbe. Es gibt ein notwendiges Wegsein und ein freiwilliges Wegsein.

Sie: Willst du damit sagen, ich sei weg gewesen, weil ich es gewollt hätte?

Er: Ich habe das mehr generell gemeint, nicht auf unseren Fall bezogen.

Sie: Du weißt schon, dass ich mich freue, wenn du anrufst, wenn du weg bist.

Er: Ich war nicht weg.

Sie: Natürlich warst du weg. Du bist auch jetzt weg. Zuhause bist du jedenfalls nicht. THOMAS, THOMAS! Siehst du, keine Antwort. Kein Thomas hier! Hier in der Wohnung bin nur ich. Du bist nicht da. Natürlich nicht.

Er: Was soll denn der vorwurfsvolle Ton `Natürlich nicht´?

Sie: Das war kein Vorwurf, sondern eine Feststellung. Sonst bist du doch auch nicht so empfindlich.

Er: Ich habe es mit meinem Anruf nur gut gemeint. Aber wenn ich dich gerade bei etwas störe …

Sie: Dann hätte ich es ja wohl gesagt. Irgendwie bist du ganz anders als sonst. Irgendwie komisch. Da kommt überhaupt nichts Nettes von Dir.

Er: Wir sind noch nicht dazu gekommen.

Sie: Sonst hast du immer etwas Liebes gesagt. So in der Art von `Wenn ich an dich denke, bin ich hin und weg.´

Er: Wenn ich an dich denke, bin ich hin und weg.

Sie: Mehr weg als hin, wolltest du sagen.

Er: Was soll das schon wieder heißen? Sei doch froh, wenn ich auch mal weg bin.

Sie: Selbst wenn du da bist, wirkst du manchmal wie … weggetreten. Als wärst du in Gedanken woanders.

Er: Ich bin geistig voll da. Das ist das erste Mal, dass du so etwas sagst.

Sie: Hörst du mir überhaupt zu? Du bist nie da. Selbst wenn du da bist, bist du weg.

Er: Ich kann nicht gleichzeitig da sein und weg sein.

Sie: Willst du mich nicht verstehen oder tust du nur so?

Er: Ich bin ganz bei dir, wenn ich da bin. Ist Madame jetzt zufrieden?

Sie: Warum rufst du mich an, wenn du keine Lust hast zu telefonieren?

Er (gereizt): Ich habe Lust, aber du legst mir jedes Wort negativ aus.

Sie: Wer ist denn so stur und kann nicht mal einen Fehler zugeben?

Er: Okay, es war ein Fehler anzurufen.

Sie: Ich glaube, es ist auch ein Fehler, wenn du am Wochenende kommst. Ich will nicht, dass du da bist. Ich bin außer Haus. Ich bin außer mir.

Er: Aha, siehst du? Kaum habe ich Zeit, bist du weg.

Sie: Vielleicht stehen ausnahmsweise nicht alle Gewehr bei Fuß, wenn sich der Herr einmal bequemt da zu sein.

Er: Ich glaube, wir beenden das Telefonat besser.

Sie: Gute Idee. Ich bin dann mal weg. Mit Vergnügen bin ich weg.

Sie legt auf.