Du bist eine Marke:

Wie ich auf einer Briefmarke in der Südsee landete

Du bist eine Marke! Als Marke werden zuweilen außergewöhnliche oder merkwürdige Menschen bezeichnet. Insbesondere darstellende Künstler*innen verkörpern eine Art Produkt, ähnlich einer Marke im Supermarkt. Sie stehen für eine bestimmte Haltung, für ein Thema oder für ungewöhnliche Erlebnisse. Die Redewendung sollte bald noch eine besondere Bedeutung für mich haben …

Eine übermütige Laune des Schicksals katapultierte mich als ersten deutschen Zauberer geradewegs auf eine offizielle Briefmarke. Normal ist das nicht. Das zeigt sich schon daran, dass die Bild-Zeitung darüber berichtete. Selbst der TV-Moderator Eckart von Hirschhausen wollte wissen, wie ich das denn geschafft hätte. Klar, du kannst dein Konterfei bei der Post für den Hausgebrauch auf einige Marken drucken lassen. Aber eine eigene offizielle Briefmarke ist eben doch höchst selten und eine große Ehre. 

In Deutschland beispielsweise entscheidet der Finanzminister, wer oder was auf den Briefmarken zu sehen ist. Dabei helfen ihm viele kluge Leute aus Politik und Kunst. Abgebildet werden nur besonders bewegende Ereignisse, künstlerische Meisterwerke, Naturwunder oder herausragende Persönlichkeiten – eben alles, was fürchterlich wichtig ist, sozusagen „larger than life“. Larger than life? Mein Leben stand mir hier eher im Weg. Normalerweise musst du mausetot sein, um auf einer Briefmarke zu landen. Es sei denn, du bist hauptberuflich Diktator wie Kim Jong-un und Konsorten, die sich schon zu Lebzeiten mit einer Briefmarke ein Denkmal setzen.

„Meine“ Briefmarke wurde vom Inselstaat Mikronesien veröffentlicht. Mikronesien, das klingt nach einem Witz. Fast schon wie Liliput, der fiktiven Insel in „Gullivers Reisen“. Aber die Inselgruppe in der Südsee existiert und ist realer als es der „real existierende Sozialismus“ jemals war.

Was wäre wohl gewesen, wenn mich das Schicksal schon früher mit einer Briefmarke beschenkt hätte? Also zu Schüler-Zeiten, als die bunten Marken meist noch der einzige Schlüssel zur weiten Welt waren. Wie hätte das mein Beziehungsleben beflügelt? Damit hätte ich die Coolsten der Klasse ausgestochen: Dem angehimmelten Mädchen beim Date die Briefmarkensammlung zeigen, kann ja schließlich jeder. Aber mit einer eigenen Briefmarke beeindrucken? Das wäre unschlagbar gewesen. 

Mit der Briefmarkensammlung wähnte man sich damals reich. Die Postwertzeichen waren wie kleine, bunte Aktien. Auch wenn die Marken nie den Preis brachten, den der Michel-Katalog anzeigte. Aber wer konnte schon wissen, welcher heimliche Schatz in der eigenen Sammlung schlummerte?! Womöglich doch eine Blaue Mauritius? Sie, dieses unscheinbare und doch gewaltig effektive Zugpferd für Generationen von Sammlern, für Millionen von Philatelisten. 

Die Blaue Mauritius nährte nicht nur die Hoffnung auf sagenhaften Reichtum. Sie verkörperte Idylle und Abenteuer zugleich. So als würdest du auf einer einsamen Insel fernab aller Hausaufgaben ein Leben als Robinson Crusoe führen. Und gegen Kannibalen kämpfen. Ha! Das wäre doch mal was. 

Hatte ich schon erwähnt, dass auch meine Briefmarke blau ist? Und das sowohl Mauritius als auch Mikronesien glatt als Paradies durchgehen können, sowohl über als auch unter Wasser? Besonders bei Tauchern sind diese Inseln sehr beliebt.

Jedenfalls war ich bass erstaunt, als mich mein Zauberfreund Jan Isenbart auf „meine“ Briefmarke aufmerksam machte. Bis heute weiß ich nicht, was die mikronesische Regierung bewogen hat mich auszuwählen. Sollten sich meine Erfolge als Künstler gar bis ans andere Ende der Welt herumgesprochen haben?

Oder lag es einfach an dem schönen, blauen Bild der Fotografin Vera Friederich? Abgesehen davon, dass ich mich in ihrem Portfolio wie ein Fremdkörper ausnehme. Erst fotografierte sie sehr athletische Männer nackt, dann Gorillas und schließlich … mich. War die Briefmarke also vor allem ihr Verdienst?

Gerade sitzt auf meiner Schulter ein kleiner Teufel namens Ego. Eindringlich redet er auf mich ein: „Das ist allein deine Briefmarke. Du bist ein großer und bedeutender Künstler. Es war längst überfällig, dass man dich mit einer Briefmarke ehrt.“

Nun ja, tatsächlich hatte ich die Zuschauer auf dem Touristik-Event in Frankfurt nach allen Regeln der Kunst verzaubert. Und dann baten zwei sichtlich begeisterte Männer aus einem fernen Inselstaat, ich möge ihnen doch eine Info-Mappe schicken. Und in der dicken Mappe lag mein blaues Foto. Solche Marketingmaßnahmen gehören einfach zu meinem Beruf … 

„Quatsch“ – das Teufelchen gibt keine Ruhe – „you make magic great again! Kein anderer Künstler hat diese Ehrung so verdient wie Du. DU, nur DU allein sollst eine Marke sein.“ Ist der kleine Teufel dann verschwunden, fallen mir durchaus noch andere Kollegen ein, die es ebenso verdient hätten. Auf das eigene Ego sollte man ohnehin nicht zu oft hören: Es hemmt die künstlerische Entwicklung mehr als sie zu beflügeln. 

Übrigens, weder die Fotografin noch ich wurden je gefragt, ob wir der Veröffentlichung des Fotos zustimmen. Naja, Teile von Mikronesien gehörten früher zu den deutschen Kolonien. Womöglich sollte einfach mal wieder jemand aus Deutschland auf die Briefmarke. Und da Kaiser Wilhelm nun schon seit geraumer Zeit nicht mehr zur Verfügung stand…. 

Als Rentner ziehe ich unter Umständen nach Mikronesien und lasse mich zum König krönen. An mein Gesicht haben sich die Mikronesier vermutlich längst gewöhnt. Steuern zahle ich dann auch keine mehr. Schließlich bin ich der König, König Keaton von und zu Mikronesien. Seine königliche Durchlaucht geruhen, diese Zeilen für heute zu beenden (ich fange schon mal an, mich an meine neue Rolle zu gewöhnen).