Wie aus einer verrückten Idee etwas ganz Großes wurde

Vor 100 Jahren lebte ein Mann namens Hans. Mit seiner Schwester Agnes lag er auf einer Wellenlänge; die Geschwister mochten sich sehr gerne.
Für sein Studium ging Hans irgendwann nach Würzburg, seine Schwester blieb in Coburg. Eines Tages wäre der junge Student beinahe tödlich verunglückt. Fast wäre er von einer Kutsche überfahren worden. Damals waren noch viele Pferdekutschen unterwegs. Im letzten Moment kam das Fuhrwerk zum Stehen. Hans war außer sich vor Angst, natürlich.
Wissen Sie, was seltsam war? Am selben Tag bestürmte die Schwester – über 100 km entfernt – ihren Vater: „Vati, dem Hans ist etwas zugestoßen, ich weiß es, wir müssen ein Telegramm schicken. Bitte, bitte. Wir müssen ihn fragen, wie es ihm geht …“. Es war das erste und einzige Mal, dass die Eltern ihrem Sohn ein Telegramm schickten.

Wie konnte Agnes nun wissen, dass ihr Bruder in Lebensgefahr schwebte? War das Zufall? Hans glaubte nicht an einen Zufall. Er nannte das „spontane Telepathie“. Eine Art Gedankenlesen. Er sagte: „Ich habe in meiner größten Not Signale gesendet – irgendwie – und meine Schwester hat diese Signale empfangen.“ Aber wie? Die Frage hat Hans nicht mehr losgelassen. Sein ganzes Leben lang forschte er daran.

Viele seiner Kollegen haben ihn nicht ernst genommen: Telepathie, Gedanken senden, Gedanken lesen – so ein Quatsch. Was für eine verrückte, spinnerte Idee!

Aber diese verrückte Idee sollte sich zu einem Segen für die Menschheit entwickeln. Wir verdanken dieser Idee eine Maschine. Es ist eine Maschine, mit der man das Gehirn belauschen kann. Ohne Risiko und ohne Nebenwirkungen. Hans Berger hat das EEG, die Elektroenzephalografie, erfunden. Bis heute werden mit dem EEG die menschlichen Hirnströme gemessen – eine unermessliche Hilfe im Kampf gegen Epilepsie und Schlafstörungen.

Hans Berger (Mediziner)